Dan Bar-Ons Buch Die „Anderen“ in uns. Dialog als Modell der interkulturellen Konfliktbewältigung (2001) untersucht, wie kollektive Identitäten entstehen und wie Dialog als Mittel zur Überwindung von Feindbildern und zur Förderung von Verständigung dienen kann. Bar-On, ein israelischer Psychologe und Friedensforscher, entwickelte seine Konzepte aus der Arbeit mit Holocaust-Überlebenden, deren Nachkommen sowie Kindern von NS-Tätern.

Im Zentrum des Buches steht die These, dass die „Anderen“ – also jene, die als fremd oder feindlich wahrgenommen werden – nicht nur außerhalb, sondern auch innerhalb unserer eigenen Identität existieren. Bar-On beschreibt drei Phasen der kollektiven Identitätsentwicklung:

1. Monolithische Phase: Eine geschlossene, homogene Selbstwahrnehmung, die andere Perspektiven ausblendet.

2. Ambivalente Phase: Erste Zweifel und das Erkennen von Widersprüchen in der eigenen Identität.

3. Dialogische Phase: Die bewusste Auseinandersetzung mit anderen Sichtweisen und die Integration dieser in das eigene Selbstverständnis.

Bar-On betont die Bedeutung des Dialogs, insbesondere in Form von persönlichen Begegnungen und dem Erzählen von Lebensgeschichten. Durch das Teilen von Erfahrungen können Misstrauen und Vorurteile abgebaut werden. Dieses Konzept wurde von ihm in verschiedenen Konfliktkontexten angewendet, darunter im israelisch-palästinensischen Konflikt und in der Arbeit mit Nachkommen von NS-Tätern und Holocaust-Überlebenden.

Das Buch bietet sowohl theoretische Einsichten als auch praktische Beispiele für interkulturelle Verständigungsarbeit. Es richtet sich an Fachleute in den Bereichen Psychologie, Soziologie, Friedens- und Konfliktforschung sowie an alle, die an interkulturellem Dialog interessiert sind.